Südnorwegen: (Ein) Hoch aufs Fjell


Bei Südnorwegen denken die meisten Leute sofort an Fjorde. Kein Wunder, denn die Meeresarme, die sich zwischen den Bergen dahinschlängeln, gehören zu den schönsten Landschaften Europas! Wusstet ihr aber, dass etwa zwei Drittel der Fläche Norwegens aus Gebirge und Hochebenen bestehen? Ich war schon oft in Südnorwegen und habe viele wunderschöne Fjorde gesehen, aber mein Herz habe ich an das Fjell verloren. Vielleicht auch, weil man von dort den besten Ausblick auf die Fjorde hat ;-). Wenn ich auf einer der kurvigen Straßen langsam hinauffahre, die Bäume immer kleiner werden und dann ganz verschwinden, dann freue ich mich schon auf den Moment, wenn ich den ersten weiten Blick über die einsame Landschaft habe. Hier oben fühlt man sich oft wie in einer anderen Welt, zwischen all den tiefblauen oder türkisfarbenen Bergseen, den Mooren, rundpolierten Felsen, Wasserfällen, Schafen, Zwergbirken und kleinen Pflanzen, die im Herbst quietschrot leuchten. Die Luft ist klar, man hört nur das Rauschen des Windes und oft ist keine Menschenseele zu sehen. Hier fühle ich mich pudelwohl!

Aber nun der Reihe nach: Bei meiner letzten Rundreise durch Südnorwegen starteten mein Partner und ich Mitte September in Oslo. Früher fand ich die Stadt nicht so spannend, aber nachdem man in den letzten Jahren so viel umgestaltet und neu erbaut hat, ist Oslo inzwischen ziemlich angesagt – auch bei mir. Wenn ich das nächste Mal herkomme, werde ich mir das brandneue Munch Museum am Oslofjord anschauen, das voraussichtlich im Herbst 2020 eröffnet wird.

Unterwegs nach Norden machten wir einen kurzen Abstecher zur hübschen Ringebu Stabkirche und einen etwas längeren bei Sør Fron, um die Skulptur „Flokk“ (= Herde) anzuschauen ­­ – Kunst fernab eines Museums. Die 21 Figuren aus Bronze, gestaltet von der Künstlerin Gitte Dæhlin, stehen mitten auf einer Wiese! Außer uns war niemand dort, so hatten wir die Kunstwerke ganz für uns allein. Ich war total begeistert, schon wegen des ungewöhnlichen Standortes! Und den Schafen schienen sie auch zu gefallen 😉

Am nächsten Tag stand der Rondanevegen auf dem Programm – eine der 18 Nationalen Landschaftsrouten. Wie der Name schon sagt, spielt hier die Landschaft die Hauptrolle, dazu gehören aber auch Servicegebäude, Park- und Rastplätze und spektakuläre Aussichtspunkte – viele davon modern und künstlerisch gestaltet. Die Rondane-Route verläuft östlich des gut 2000 Meter hohen Rondane-Massivs und bietet traumhafte Ausblicke, zum Beispiel am „Solbergsplass“: Erinnern euch der tiefblaue See, der dichte Wald und die kargen Berge auch ein wenig an Kanada? Die ganze Strecke war beeindruckend und das Tüpfelchen auf dem i waren die leuchtenden Farben, denn im September verwandeln sich die Blätter der Bäume und Fjellpflanzen in ein Farbenmeer aus Orange, Gelb und Rot – quasi der Indian Summer auf Norwegisch.

Weiter nördlich, bei Hjerrkinn, solltet ihr einen kleinen Abstecher zum „Snöhetta Viewpoint“ machen. Vom Parkplatz „Tverrfjellet“ führt ein Fußweg circa 20 Minuten leicht bergauf zu einem modernen Pavillon aus Stahl und viel Glas. Schaut euch innen unbedingt die fantastische Holzkonstruktion an, die als Sitzgelegenheit dient. Das Ganze wurde übrigens im Auftrag des Norwegischen Wildrentier-Zentrums zur Beobachtung der Tiere erbaut. Dementsprechend habt ihr hier auch eine wunderbare Aussicht auf die weite Hochebene und den Snøhetta, den höchsten Berg des Dovrefjells (2.286 Meter).

Ein echtes Highlight des nächsten Tages war der Aursjøvegen, der zwischen Sunndalsøra und Molde liegt. Ein großer Teil der Strecke ist Schotterpiste und für Busse leider nicht befahrbar, aber vielleicht reist ihr ja auch irgendwann einmal mit dem Auto nach Norwegen. Zeitweise nieselte es und manchmal sah man wegen der tief hängenden Wolken nicht viel, aber wir blieben trotzdem ständig stehen, um Fotos zu machen: von Bergseen, weiten Hochebenen, imposanten Felsen, einsam gelegenen Holzhäuschen und hohen Bergen. Da zeigte sich einmal mehr: Die Landschaften Norwegens sind selbst bei schlechtem Wetter großartig!

Eine weitere fantastische Straße, den Trollstigen, erlebten wir bei strahlend blauem Himmel und 20 Grad – und das Mitte September! Es macht Spaß, sich auf den elf Serpentinen den Berg hinaufschrauben, und oben wird es dann richtig beeindruckend. Die Aussichtsplattform, die weit über den Hang hinausragt, ist der Hit – erst recht die Aussicht ins Tal, auf die Felswände der Berge und den rauschenden Wasserfall Stigfoss! Wenn ihr hier her kommt, solltet ihr viel Zeit einplanen, denn erstens kann man bei den engen Kurven nur sehr langsam fahren und zweitens könnt ihr euch vom Ausblick bestimmt kaum losreißen. Und bei schönem Wetter braucht man ja auch noch ein wenig Zeit für ein leckeres Eis in der Sonne 🙂

Auch in Geiranger solltet ihr genug Zeit einplanen, denn es gibt einiges zu entdecken. Besonders gut gefallen hat mir der Wasserfall-Weg, der über Treppen hinunter zum Fjord führt. Man läuft immer dicht entlang des rauschenden Wassers und hat auch einen schönen Blick auf den Geirangerfjord.

Da wir während einer anderen Reise schon eine Schifffahrt auf dem Fjord gemacht hatten und auch das Norwegische Fjordcenter schon kannten (beides sehr empfehlenswert!), reisten wir weiter nach Süden. Die Landschaft wurde immer einsamer und wilder, wir waren umringt von Bergen und Felsen, ein kleiner Fluss schlängelte sich durch die Landschaft, winzige Fjellpflanzen leuchteten grellrot, die Luft war herrlich frisch und über allem lag eine wunderbare Ruhe. Wir hielten oft am Straßenrand, stapften in den Felsen herum, und machten gefühlt hundert Fotos pro Kilometer 😉

Danach machten wir einen Abstecher auf einer Serpentinenstraße, dem Nibbevegen, hoch auf den Dalsnibba. Wie ihr bestimmt schon gemerkt habt, habe ich auch ein Faible für kurvige Bergstraßen ;-). Oben, auf ca. 1500 Meter Höhe, fegte der Wind über das Plateau und trieb dicke Wolken hoch, so dass man plötzlich rein gar nichts mehr sah. Ein paar Minuten später konnte man schon mehr erkennen, ein Berg tauchte aus dem Wolkenmeer auf, dann ein Stück Gletscher und ein Teil des Tales tief unter uns. Nach einer Weile hatten wir schließlich ein 360-Grad-Panorama inklusive Geirangerfjord in der Ferne – ein wirklich spektakuläres Panorama! Also nichts wie hin, wenn ihr mal in der Gegend seid. Die Straße kostet zwar eine Gebühr, aber es lohnt sich, auch wenn das Wetter nicht so schön ist!

Ein weiteres Highlight war für mich der Wasserfall Øvstefoss. Den entdeckten wir eher zufällig, als wir an der Straße 15 kurz anhielten. Ein knapp 200 Meter langer Weg führt hier, entlang des Wasserfalls, nach unten. Besonders beeindruckend ist der Anblick von der untersten (ziemlich kleinen) Plattform aus. Ich stand noch nie so nah an so gewaltigen und lauten! Wassermassen ­– ein wirklich tolles Erlebnis!

Vom Gebirge ging es dann weiter an den Nordfjord. Ich habe ja schon erwähnt, dass ich Fjorde auch toll finde. Als wir durch das Städtchen Stryn fuhren, dachte ich, ich sehe nicht recht – da liefen doch tatsächlich überall Leute in bayerischer Tracht herum! Wie sich herausstellte, waren sie auf dem Weg zu Norwegens größtem Oktoberfest, das hier allerdings nur zwei Tage dauert. Ich möchte gar nicht wissen, was dort eine Maß Bier kostet ;-)!

Der längste Fjord Europas (er ist auch einer der längsten der Welt) lag ebenfalls auf unserer Route: Der Sognefjord schlängelt sich über 200 Kilometer von der Westküste bis an den Fuß des Gebirges Jotunheimen. Das Dorf Fjaerland liegt gar idyllisch an einem seiner schmalen Seitenarme. Hier wollten wir uns die „Bücherstadt“ anschauen, aber leider waren die Häuser schon geschlossen. In mehreren Gebäuden, die verstreut im Ort liegen, kann man in über 200.000 gebrauchten Büchern stöbern (und sie kaufen), darunter sogar einige Tausend in deutscher Sprache!

So, dann kommen wir mal wieder zum Fjell ;)! Östlich des Sognefjordes, am Rande des Jotunheimen-Gebirges, liegt der große Tyinsee. Die Straße von Øvre Ardal dorthin führt zunächst durch ein Hochtal, vorbei an Bergen, kleinen Seen und moosbedeckten Felsen, im weiteren Verlauf verläuft sie etwa 10 Kilometer entlang des südwestlichen Seeufers. Hier kamen wir mal wieder nicht von der Stelle. Ständig musste man Fotos machen 😉 Vom See und den Gipfeln des Jotunheimen-Massivs in der Ferne, von Hütten am Wasser und von der ungewöhnlichen Lichtstimmung – einer Mischung aus Sonne und Nebel.

Zum Schluss der Reise ging es wieder nach Oslo. Unterwegs machten wir natürlich noch einen Abstecher, ihr ahnt es sicher schon – aufs Fjell ;-). Da ihr aber schon so viele Fotos von Hochebenen und einsamen Landschaften gesehen habt, als Kontrastprogramm nun noch ein paar von der Hauptstadt.

Wenn ihr also Lust bekommen habt, eine ähnliche Reise zu machen, kann ich euch gerne auch noch weitere Tipps geben und passende Hotels empfehlen. In der Zwischenzeit könnt ihr schon mal in unseren Südnorwegenreisen stöbern.

Bis bald!
Petra Laux | Senior Marketingmanager für Skandinavien