
Ein perfekter Kurztrip.
Polen wird oft unterschätzt. Nachdem ich frisch bei Service-Reisen in der Osteuropa-Abteilung angefangen habe, musste ich Polen natürlich einmal genauer unter die Lupe nehmen. Als ersten Schritt machte ich einen kurzen Intensivurlaub über Ostern in zwei der bedeutendsten Städte – Breslau und Krakau – und nahm mir eine Begleitung mit, denn zu Zweit macht es doch gleich doppelt Spaß.
Kulturhauptstadt 2016 – nicht nur für Kulturfans
Wir waren leider „nur“ vier Tage unterwegs, für uns hätte es viel länger sein können! Los ging es in Breslau. Bei unserer Stadtführung waren die Breslauer Zwerge mein Highlight. Unser Reiseleiter verriet uns, dass in Breslau an allen Plätzen mit besonderer Bedeutung Zwerge auftauchen. Meine Lieblingsfigur war allerdings das erste Original, der „Sisyphus-Zwerg“ auf der Haupteinkaufsmeile. Wie in der griechischen Sage versucht der Zwerg einen großen Stein die Straße hinauf zu schieben und er rollt ihm immer wieder entgegen. Geschaffen wurde dieser Zwerg von Studenten der Kunsthochschule – die kennen sich offensichtlich aus mit manchmal sinnlosen und schweren Tätigkeiten ohne absehbares Ende ,-). Nachdem ich Feuer gefangen hatte, sind wir während der Stadtführung auf Foto-Zwergejagd gegangen. Es gibt wirklich so viele Verschiedene, das ist der Wahnsinn.
Ein weiteres Highlight war für mich die Jahrhunderthalle. Vielen fällt dieses tolle Bauwerk gar nicht auf, dabei ist die Konstruktion unglaublich. Das Gebäude ist ein perfekter Kreis und die Kuppel wird nur durch ihr Eigengewicht gehalten, obwohl alles aus Stahlbeton besteht! Das 1913 errichtete Bauwerk ist UNESCO-Weltkulturerbe, da es ein großartiges Werk moderner Baukunst ist. Ich konnte es natürlich nicht lassen mich direkt in die Mitte zu legen, um ein zentrales Foto von der Kuppel zu machen. Diese Halle wird wirklich unterschätzt. Heute wird sie als Messegelände und für allerlei Ausstellungen genutzt.
Ein kleiner Tipp von mir: Unser Hotel lag ganz in der Nähe der Dominsel und um die Osterzeit war es hier noch sehr zügig und kühl. Da nehmt ihr euch besser eine dicke Jacke mit! Und Handschuhe nicht vergessen, sonst gibt es Frostbeulen beim Fotografieren.
Salz – das weiße Gold
Auf dem Weg nach Krakau haben wir dann das Salzbergwerk in Wieliczka besucht. Es liegt etwa 20km von Krakau entfernt und ist eines der ältesten und bekanntesten Salzbergwerke der Welt. Hier wurde schon ab der Mitte des 13. Jahrhunderts Salz abgebaut und die Schächte und Stollen erreichen eine Gesamtlänge von 350km. Das Bergwerk ist heute ein Museum und (natürlich) auch UNESCO-Weltkulturerbe. Drei von insgesamt 9 Ebenen können besichtigt werden. Nachdem man die circa 700 Stufen nahezu ständig um die eigene Achse hinunter gestiegen ist – natürlich nur innerhalb einer Führung (ca. 4,5km) – könnt ihr die Kirche, Kammern (20) und unterirdische Seen bewundern. Viele der Kammern sind mit aus dem Salz gehauenen Figuren geschmückt. In der 50 Meter langen Kirche finden auch Konzerte statt. Fast der ganze sakrale Bau ist aus Salz: die Kronleuchter, der Altar auf dem das letzte Abendmal sehr detailliert dargestellt ist und vieles mehr. Das hatte ich echt nicht erwartet, wirklich wunderschön und beeindruckend. In über 200m Tiefe behandelt ein Sanatorium Asthma und Bronchialkrankheiten und im Museum gibt es unter anderem eine Sammlung von Salzstreuern zu bestaunen und auch zu kaufen. Ich möchte sie in meiner Küche nicht mehr missen. 🙂
Da hier auch eine geweihte Statue von Johannes Paul II. steht, werdet ihr auch viele Pilger antreffen und das Bergwerk ist gerade an christlichen Feiertagen und an Wochenenden gut besucht. Für euch als Tipp: Es lohnt sich unbedingt ein Ticket vorzubestellen, damit ihr an dem Tag garantiert rein gelassen werdet. Die komplette Besichtigung dauert etwa 3,5 Stunden. Doch die Zeit vergeht in Nu. Komplett fasziniert wandelten wir auf dem Salz und vergaßen alles um uns herum.
Unser Hotel in Krakau lag neben dem Wawel mit einem traumhaften Blick auf die Weichsel und wir fielen direkt ins Bett, so müde waren wir. So viele Eindrücke mussten im Zwergen-Traumland erstmal verarbeitet werden ;). Das hatte den Vorteil, dass wir für den nächsten Tag in Krakau bestens ausgeruht waren.
Spaziergang durch Krakau
Den Anfang machte eine tolle Stadtführung von drei oder vier Stunden, auf jeden Fall viel zu kurz. Besser wir hätten eine Ganztagesführung gemacht, denn Krakau hat so viel zu bieten! Insider-Tipp: Lasst euch am besten von einem deutschsprachigen polnischen Guide führen, denn die Geschichte wird von Menschen, die hier aufwachsen, ganz anders erzählt. So bekommt ihr einen authentischen Einblick!
Das Jüdische Viertel war von großem Interesse für mich. Schön zu sehen, was die Menschen heute daraus gemacht haben. Es ist zum Szeneviertel geworden und viele Bars und Restaurant locken abends hierher. Es ist immer was los und sprüht gerade so vor Leben.
Von der Schlichtheit der Krakauer Synagoge war ich überrascht. Der Friedhof erinnerte an die verlassenen Friedhöfe, die man sonst nur aus irischen Filmen kennt. Unser Reiseleiter erklärte uns aber, dass es nicht zur jüdischen Lebensweise gehöre, in die Vergangenheit zu schauen und lange zu Trauern. Daher werden die Gräber der Verstorbenen nicht gepflegt. Einzig die Löcher in der Mauer zur Straße seien dafür da, seinen Verstorbenen einen Gruß zu senden. Wenn jemand also auf seinem Weg, beispielsweise zur Arbeit, an dem Friedhof vorbeikomme, dann kann er kurz durch die Löcher schauen und so ausdrücken, dass er an einen lieben verstorbenen Menschen denkt. Diese Lebenseinstellung fand ich sehr inspirierend.
Weiter ging es dann zur Marienkirche, um den beeindruckenden großen handbemalten Holzhochaltar (riesig! 13m x 11m) von Veit Stoß anzuschauen. Fotos sind hier nicht erlaubt, da es ein sehr alter Altar aus dem 15. Jahrhundert und der größte seiner Art in Europa ist. Die Pfarrgemeinde versucht die Kirche jedem zu öffnen und so muss man an Feiertagen und Sonntagen keinen Eintritt bezahlen. Am hinteren Ende gibt es Gebetsräume, aber auch hier ist fotografieren verboten und es wird gar nicht gern gesehen, wenn Touristen nach der Besichtigung in diese Räume treten, um doch ein Foto vom Hochaltar zu bekommen. Ist es ein Raum der Besinnung. Einfach mit eigenen Augen schauen und nicht durch Linse oder Smartphone. 😉
Am Platz der Marienkirche liegen auch die Tuchhallen. Für mich waren das etwas zu touristisch ausgelegte Markthallen mit allerlei Souvenirständen. Hier befindet sich auch der Eingang zu „Krakau unter Tage“, einer modernen Ausstellung zur Stadtgeschichte. Sie ist schön visuell aufgearbeitet, aber ich hatte mir etwas anderes vorgestellt.
Am Abend sind wir im Klezmer Viertel essen gegangen – lecker. Wer authentisch Reisen will, ist hier genau richtig. Für mich war es das erste Mail in einem traditionellen jüdischen Restaurant und wir konnten so richtig die Seele baumeln lassen. Die Musiker spielten fröhliche emotionale Stücke, manche sogar in deutsch – und das koscher gekochte Essen war perfekt. Die Portion war genau richtig um mich satt zu bekommen und nicht so übermächtig wie ich es aus anderen Restaurants kenne. Durch die Musik konnten wir uns nicht groß unterhalten, aber das brauchten wir auch gar nicht. Wir haben die Stimmung genossen und den Tag entspannt ausklingen lassen. Einfach herrlich! Und wer denkt, dass jüdische Musik immer traurig daher kommt, der wird hier eines besseren belehrt.
Noch ein Tipp: Das Klemzer Viertel liegt genau neben dem Jüdischen Viertel und es ist leicht, ein Taxi zu bekommen. Das ist genial, denn nach so einem schönen Abend kann man einfach günstig ins Hotel zurückkehren, ohne die Füße dem Kopfsteinpflaster aussetzen zu müssen. Die wurden heute schon genug geschunden.
An unserem letzten Tag besuchten wir noch Auschwitz. Für euch vorweg: Auschwitz am letzten Tag zu besuchen war nicht gut. Die Stimmung auf dem Heimweg ist sehr gedrückt und verfärbt die gesamten Urlaubserinnerungen.
Zuerst mussten wir durch die strenge Eingangskontrolle. Achtung, Taschen dürfen nur so groß sein wie ein DIN A4-Blatt. Wir hatten die Führung vorgebucht, denn anders könnt ihr das ehemalige Konzentrationslager nicht mehr besichtigen. Die Führungen sind recht eng getaktet und wir mussten uns ranhalten, um bei unserer Gruppe zu bleiben. Am meisten haben mich die Kinderlocken und die Straße der kleinen Schuhe berührt. Unvorstellbar, was im Dritten Reich mit Menschen gemacht wurde. Ich hatte mich auch in eine der kleineren Gaskammern getraut, was sehr beklemmend war. Nach dieser Führung hatten wir das Kombiticket mit Birkenau nicht mehr genutzt. Das mussten wir erst mal sacken lassen.
Auch wenn dieser Kurzurlaub beklemmend endete so war es doch ein toller Aufenthalt in unserem Nachbarland.
Zum Schluss habe ich euch noch zwei weitere Tipps, die ihr bei eurem Besuch beachten solltet: Zum einen unterschätzt die Mautstationen nicht. Sie kamen in viel kürzeren Abständen als wir dachten und dann konnte es schon mal herausfordernd werden passendes Kleingeld parat zu haben. Zum anderen tauscht zu Hause nur wenig Geld. In jeder Altstadt sind die Wechselkurse viel besser – auch besser als kurz hinter der Grenze! Jeder Guide oder Touristeninfo wird euch in die Richtung einer vertrauensvollen Wechselstube schicken können.
Ich hoffe, ihr seid neugierig auf Polen geworden und überlegt vielleicht schon, ob ihr selbst mal die Städte erkunden wollt 🙂 – es lohnt sich auf jeden Fall !
Viele Grüße
eure Carmen Toups | Profi für Osteuropa