Mit dem Hausboot durch Schottland


Seit ich 2006 mein Auslandssemester in Schottland verbracht habe, hat der Norden Großbritanniens einen festen Platz in meinem Herzen eingenommen. Fast jedes Jahr fahre ich mit Familie und Freunden dorthin und erlebe mein Lieblingsland immer wieder neu. So kamen wir auf die Idee, es auch einmal mit dem Hausboot zu erkunden. Das genaue Ziel für unsere siebentägige Bootstour war sehr schnell gefunden, denn der einzig für diese Zwecke befahrbare Wasserweg Schottlands ist der „Caledonian Canal“. Auf 97 Kilometern verläuft er durch die Great Glen Verwerfung und mündet sowohl bei Inverness als auch bei Fort William ins Meer.

Der Startpunkt unserer Reise lag in Laggan, ziemlich in der Mitte der beiden Mündungen. Hier befindet sich die sogenannte „Base“ der Mietstation, über die wir unser Boot geliehen haben. Unsere Truppe bestand aus sechs Personen und für uns war klar, dass wir uns auf dem Boot selbst versorgen wollten. Daher haben wir uns von Anfang an nach einem etwas größeren Exemplare umgeschaut. Das Boot zu steuern ist übrigens kein Hexenwerk, wir brauchten für unseres nicht einmal einen Schiffsführerschein. Nach einer 30-minütigen Einweisung in die Funktionen des Boots und die „Bedienung“ der Schleusen konnten wir auch schon starten. Zuerst sind wir in Richtung Norden gefahren. Das erste Highlight auf unserer Strecke war der Ort Fort Augustus. Die Schleuse, durch die wir hier mussten, hatte vier Kammern, sodass wir alleine mit dem Manövrieren von einer Seite zur anderen eine ganze Stunde beschäftigt waren. Dabei hatten wir übrigens viele Zuschauer, denn Fort Augustus ist für Busgruppen der ideale Platz, um eine Mittagspause einzulegen. Falls ihr euch die Schleuse mit eurer Busgruppe anschauen wollt, wie wäre es mit dieser passenden Reiseidee: Entspanntes Schottland. Neben der riesigen Schleuse, gibt es im Ort unzählige kleine Souvenirläden und ein paar Pubs in denen man vorzüglich Fish and Chips essen kann.

Wir haben allerdings eher selten an Land gegessen, sondern auf unserem Boot in der gut ausgestatteten Küche gekocht. Damit wir diese auch füllen konnten und zu Beginn keine große Einkaufstour machen mussten, hat unser Bootsverleih einen tollen Service angeboten: Man kann sich eine Art „Care-Paket“ direkt mitbestellen, das bei Abreise schon auf dem Boot parat lag und hatte so die wichtigsten Lebensmittel schon an Bord. Ansonsten haben wir uns lokale Köstlichkeiten in den Orten besorgt, durch die wir gerade gefahren sind. Einmal haben wir einen frischen Lachs gekauft, ein anderes Mal gab es Haggis – die schottische Spezialität, bei der ein Schafsmagen mit Herz, Leber, Lunge und Niere vom Schaf sowie Zwiebeln und Hafermehl gefüllt wird. Besonders hilfreich fanden wir dafür die spezielle Karte, die wir von unserem Bootsverleih bekommen hatten. Auf ihr waren alle Anlegestellen samt Supermärkten, Stromanschlüssen, öffentlichen Waschplätzen und allem, was man sonst noch braucht, verzeichnet. Nach so einer Karte solltet ihr auf jeden Fall auch fragen! Die öffentlichen Waschplätze haben wir übrigens sehr gerne genutzt, da diese natürlich viel geräumiger sind, als die kleinen Bäder auf dem Boot – obendrein mussten wir so während unserer Reise weniger putzen. 😉

Ein weiteres tolles Ausflugsziel auf der Route durch den „Caledonian Canal“ sind die Wasserfälle des Flusses Foyers. Im gleichnamigen Örtchen Foyers, in dem der Fluss in den Kanal mündet, haben wir angelegt und sind durch ein kurzes Waldstück bis zu dem Naturschauspiel gewandert. Der Weg war nicht beschwerlich und gut ausgebaut, sodass ihr nicht unbedingt auf spezielle Wanderschuhe angewiesen seid. Der Wettergott war uns während unserer Reise zudem sehr gnädig. Bis auf einen Tag hat die Sonne immer geschienen und bei unserem Ausflug zu den „Falls of Foyers“ konnten wir die Jacken sogar für einen Moment ablegen und die September-Sonne im T-Shirt genießen. 🙂 Im September blüht in Schottland alles noch in saftigen Farben, sodass unsere Reise uns nicht nur zu den schönen Wasserfällen, sondern auch durch saftiges Grün und das leuchtende Lila der Heide geführt hat – fast als wäre es noch Frühling.

Was außerdem nicht fehlen durfte, war ein Besuch des „Urquhart Castle“ am Loch Ness, einer alten Burgruine, die in ihren Gemäuern Geschichten über zahlreiche Eroberungen zu erzählen hat, die bis in das 6. Jahrhundert zurück reichen. Wenn ihr mit dem Boot unterwegs seid, genießt ihr übrigens einen kleinen Vorteil, denn das Schloss verfügt über einen eigenen Bootsanleger. So hatten wir zwei Stunden Zeit für unseren Besuch, die auch völlig ausgereicht haben. Ein großes Lob gilt übrigens den Planern des Besucherzentrums: Hier schaut ihr euch, bevor es in die Ruine geht, einen fünfminütigen Film über die Geschichte des Schlosses an. Zum krönendem Abschluss fährt die Leinwand hoch, die Vorhänge öffnen sich und man hat einen atemberaubenden Blick auf die imposante Burgruine – einfach mystisch schön!

Unsere letzte Station, bevor wir in Richtung Südwesten umgekehrt sind, war Inverness. Vom Bootsanleger waren wir nach einer guten halben Stunde Fußmarsch in der Innenstadt angelangt. Egal, ob ihr mit dem Boot, dem Auto oder dem Bus in Inverness seid, ihr solltet euch unbedingt den Ausblick vom Schloss, den Victorian Market, der viele kleine Geschäfte mit lokalen Produkten bietet und die tollen Hängebrücken aus dem 19. Jahrhundert anschauen. Bevor ihr in Inverness seid, könnt ihr euch über aktuelle Aktionen und Events im Victorian Market über deren Facebook Seite informieren. Zudem solltet ihr euch die ehemalige „Gaelic Church“ der Stadt genauer anschauen. Von außen sieht die jetzige Bibliothek zwar unscheinbar aus, doch im Inneren ist sie so schön bunt und durcheinander, dass sie eine Harry-Potter-Atmosphäre verbreitet.

Nach unserem Besuch in Inverness haben wir uns zwar auf den Rückweg gemacht, das bedeutete allerdings noch lange nicht das Ende unserer Reise. An der „Base“ in Laggan wurde unser Boot schnell auf Vordermann gebracht, sprich das Abwasser geleert und das Frischwasser aufgefüllt, und dann ging es auch schon weiter. Die Stadt Fort William war unsere letzte Station, denn mit unserer Art von Boot darf man die längste Schleusentreppe Großbritanniens mit insgesamt 7 Kammern, die auch als „Neptune’s Staircase“ bekannt ist und im Meer mündet, nicht durchqueren. Stattdessen haben wir die Stadt erkundet und an einer Führung durch die „Ben Nevis Distillery“ teilgenommen. Falls ihr noch nie gesehen habt, wie Whisky gebrannt wird, solltet ihr euch einen Besuch nicht entgehen lassen, denn man erfährt sehr viel Interessantes und am Ende jeder Führung gibt es eine kleine Verkostung. 😉 In der „Ben Nevis“ Brennerei haben mir die hauseigenen Whisky-Gläser besonders gut gefallen, sodass ich davon ein paar als Mitbringsel für die zu Hause gebliebenen gekauft habe.

Wieder an der „Base“ in Laggan angekommen, wollten wir unsere Bootstour natürlich angemessen ausklingen lassen. Wie könnte das wohl besser gehen, als bei einem Abend auf einem ausrangierten Frachtschiff, dass zu einem Pub und Restaurant umgebaut wurde. Schnell sind wir mit den anderen Gästen ins Gespräch gekommen und haben unsere letzten Pfund für Cider, die englische Variante des Apfelweins, und Whisky ausgegeben.

Mich hat die Art mit dem Boot zu reisen total begeistert. Da das Boot nicht schneller als 15 km/h fährt, schippert man gemächlich vor sich hin, benötigt keinen Bootsführerschein und bekommt ein ganz anderes Zeitgefühl – eine Woche Urlaub fühlt sich an wie zwei. Deshalb kann ich mir sehr gut vorstellen, bald wieder eine Bootstour zu unternehmen – vielleicht in den Niederlanden oder Irland? Falls ihr ein paar tolle Routen kennt, freue ich mich über einen Kommentar mit euren Empfehlungen.

Bis bald,

Claudia Rempe | Länderprofi für Benelux, Schweiz und Kreuzfahrten