Bernstein-Rausch in Litauen


Meine letzte Reise durch Litauen startete diesmal mit einer Fährüberfahrt von Kiel aus. Wenn die Fähre dann zwischen dem Nationalpark „Kurische Nehrung“ und dem Rand der Stadt Klaipeda in Richtung Hafen einfährt und die Sonne dabei knallrot hinter dem Horizont verschwindet, packt euch der Zauber des Baltikums direkt! In Klaipeda, einer sehr niedlichen und nicht allzu großen Stadt, geht der Zauber direkt weiter. Abends ist es besonders schön durch die kleinen Gassen zu schlendern und die versteckten Läden und Cafés zu entdecken, da alles wunderschön beleuchtet ist. Wenn ihr in Klaipeda unterwegs seid, dann werdet ihr an einigen Ecken noch die deutsche Vergangenheit der Stadt in Form von Fachwerkhäusern und deutschen Straßennamen wieder erkennen, denn bis 1920 gehörte das Gebiet zum Deutschen Kaiserreich. Klaipeda (Memel) war die nördlichste Stadt des Deutschen Reichs.

Der Nationalpark „Kurische Nehrung“ erstreckt sich über den gesamten litauischen Teil der gleichnamigen Halbinsel, die vor der Küste Litauens liegt. Als ich Klaipeda verließ und hier ankam hatte ich den Eindruck in eine andere Welt katapultiert worden zu sein. In den Wäldern und den Dünen hatte ich das Gefühl, dass sich alles ein bisschen wie in Zeitlupe abspielt. Zwischen den kleinen Fischerhütten lässt es sich toll abschalten. Ich kann total verstehen, warum der berühmte Schriftsteller Thomas Mann sein Sommerhaus gerade hier hatte! Bei Nida, dem Hauptort auf der Halbinsel, gibt es außerdem wunderschöne Orientierungspfade, auf denen man die Vegetation des Nationalparks genauer erkunden kann, was alleine oder auch mit der ganzen Familie viel Spaß macht.

Typisch für Litauen und die Kurische Nehrung ist natürlich der Bernstein. Ich durfte bei zwei tollen Workshops mitmachen, bei denen wir erst auf Bernsteinsuche gingen und dann gezeigt bekommen haben, wie wir das versteinerte Harz bearbeiten müssen, damit es schön glänzt. Als aller erstes haben wir gelernt, wie man den Bernstein von Glasscherben und Unrat unterscheidet, damit wir nicht das Falsche einsammeln. Er ist ganz leicht und wenn man ihn lange genug an der Haut reibt, dann fängt er an leicht harzig und nach Wald und Bäumen zu riechen. Außerdem haben wir gelernt, dass Bernstein brennbar ist, aber natürlich wollt ihr eure Funde nicht erstmal anbrennen, bevor ihr euch sicher sein könnt, dass es sich um das wissenschaftlich genannte „Succinit“ handelt. Neben dem klassischen Schmuck, den jeder kennt, wird das versteinerte Harz in Litauen aber auch zu Schnaps oder einem Pulver weiterverarbeitet, das zu Hochzeiten oder anderen besonderen Anlässen ins Feuer gestreut und verbrannt wird. Das „500-Kilo-Stück“ habe ich übrigens nicht gefunden, aber ein paar schöne Steine waren schon dabei, sodass ich im zweiten Workshop dann Bernstein selbst schleifen konnte.

Eine weitere tolle Stadt in Litauen ist Kaunas, denn durch ihre gute verkehrstechnische Anbindung sind hier viele Universitäten und eine große Kunstszene entstanden. Besonders die Textilkunst hat hier ein Zuhause in den vielen Galerien und Ausstellungen gefunden. Wenn ihr durch die Straßen schlendert, gibt es zudem auch an jeder Ecke etwas zu entdecken – ganz ohne in ein Museum zu gehen – denn Street Art ist ein großes Thema. Zwei meiner Lieblingsmotive könnt ihr auf den Fotos sehen! Ein komplettes Kontrastprogramm ist dagegen ein Besuch der Wasserburg Trakai, die schon im 14. Jahrhundert erbaut wurde und den mittelalterlichen Charme beibehalten hat. Von Kaunas aus seid ihr in einer guten Stunde bei der Burg, und dann auch schon fast in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Dass alles so nah beieinander liegt, heißt allerdings nicht, dass man sich Litauen im Schnelldurchlauf anschauen sollte. Ganz im Gegenteil! 

Litauen ist so reich an Sehenswürdigkeiten und Städtchen, dass die sechs Tage, die ich dort verbrachte eigentlich viel zu kurz waren. Auch die Art der Litauer hat mich total begeistert. Sie sind so stolz auf ihr Land und freuen sich immer, es Urlaubern und Besuchern zeigen zu dürfen und zwar so, dass man sich dort direkt wohl fühlt.

Mein aller schönstes Erlebnis hatte ich, als wir bei einer Familie, die im Norden des Landes vier Gästehäuser vermietet, zum Mittagessen eingeladen wurden. Das Essen war landestypisch und traditionell gehalten, es gab Kartoffeln mit Hanfsamen und klassische kalte Rote-Beete-Suppe, außerdem geräucherten Hering und Zeppelinai, das sind Klöße, die aussehen wie kleine Zeppeline und meist mit Fleisch gefüllt sind. Alles war wunderschön auf Tellern aus Holz und mit Holzlöffeln angerichtet. Während des Essens haben wir dann noch so einiges über die litauische Essenstraditionen gelernt, zum Beispiel, dass geräucherter Hering früher nur sehr selten gegessen wurde und als Besonderheit für Weihnachten und andere Feierlichkeiten vorgehalten wurde. Wenn es um das Brot geht, dann haben wir übrigens etwas mit den Litauern gemein, denn auch sie essen unheimlich gerne Schwarzbrot und sind sehr stolz darauf. Nichtsdestotrotz ist das Brot nicht so wie wir es kennen. Es ist viel dunkler und wird klassisch aus Roggenmehl gebacken. Das klassische Sauerteig-Brot wird häufig mit Milch und Kümmel gebacken. Dadurch erhält das Brot seinen unvergleichlichen malzigen, leicht süßlichen Geschmack. Fällt euch mal ein Stück vom Brot herunter, solltet ihr es nicht nur direkt aufheben, sondern es erst küssen und es so um Verzeihung bitten. 😉 Selbst wenn es einmal nicht mehr für uns genießbar sein sollte, dann wird trockenes Brot nicht weggeworfen, sondern immer an Tiere verfüttert.

Wenn ihr jetzt auch Lust bekommen habt Litauen zu erkunden und euch in einer Rundreise einen Überblick vom Baltikum verschaffen wollt, solltet ihr euch mal folgenden Reisetipps anschauen – oder ruft mich einfach an!

Bis bald,

Ingar de Vries | Länderprofi für Osteuropa