Abenteuer in den Bergen Englands


Stellt euch vor, ihr seid alleine in einem kleinen Opel Corsa an einem verregneten und stürmischen Februartag auf Straßen in Richtung eines Nationalparks unterwegs, die immer enger, hügeliger und verwinkelter werden. Viele Straßenabschnitte sind überschwemmt, doch LKWs und Busse kommen einem trotzdem mit großem Getöse entgegen. Hier und da sind ein paar Schafe aus einer Herde ausgebüxt und haben es sich mitten auf der Fahrbahn bequem gemacht. Als wäre das nicht schon abenteuerlich genug, habt ihr euch außerdem das erste Mal in den Linksverkehr getraut und verwechselt ständig die Gänge, denn eure linke Hand weiß gar nicht so recht was sie da mit dem Schaltknüppel eigentlich anfangen soll.

So ging es mir, als ich vergangenes Jahr mit einem englischen Mietwagen von Newcastle in Richtung des Lake Districts unterwegs war. Nach dem, was ich euch gerade beschrieben habe, könnt ihr euch sicherlich vorstellen, wie vorsichtig ich unterwegs war und dass die Engländer, die dort täglich auf den Straßen sind, alle fürchterlich über mich geflucht haben und mich gar nicht schnell genug überholen konnten. Durch das lokale Nummernschild des Mietwagens war ich auch nicht direkt als Linksverkehr-Anfänger erkennbar. Obwohl der Beginn meiner Reise so schon total spannend und verrückt begonnen hatte, war ich dann doch froh, als ich in meinem Hotel im Örtchen Grange-over-Sands angekommen war. Das Cumbria Grand war für mich ein ganz besonderes Hotel und das auch weil es ein riesiges Anwesen aus den 1890er Jahren ist. Der Eingang ist zwar relativ klein und unscheinbar und sonst sieht man überall im Hotel, dass hier viele Menschen ein- und ausgehen. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt, denn meine Unterkunft war einfach authentisch und hat den rustikalen Charakter meiner ganzen Reise widergespiegelt, das fand ich toll.

Natürlich bin ich aber nicht nur wegen des Hotels in die Grafschaft Cumbria gereist, sondern wegen der herrlichen Natur, die die Gegend bestimmt. Der Nationalpark Lake District allein hat eine Fläche von gut 2000 Quadratkilometern, zählt man den angrenzenden Park Yorkshire Dales allerdings dazu, bieten sich einem schon fast 4000 Quadratkilometer Gebiet zum Erkunden. Im Lake District gibt es unter Anderem den größten natürlichen See Englands zu finden und er ist wirklich gigantisch! Wenn ihr auf der einen Seite des Windermere steht, könnt ihr das andere Ende gar nicht mehr sehen – hier gibt es also viel zu entdecken. Ich habe meine Exkursionen rund um den See meist vom Ort Bowness-on-Windermere aus gestartet. Hier gibt es viele größere Parkplätze, von denen aus zahlreiche Wanderrouten ausgeschildert sind. Alles ist sehr unkompliziert und sowohl auf die Bedürfnisse von absoluten Einsteigern als auch erfahrenen Outdoor-Sportlern ausgerichtet. Es gibt zum Beispiel viele Anfängerrouten durch den Park, über die ihr euch schon vorher auf der Homepage des Lake Districts informieren könnt. Tagesaktuell wird man da auch über Stellen informiert, die, etwa durch starken Regen, nicht passierbar sind. Außerdem gibt es einen Notfallkontakt, den ihr – ihr habt es erraten – im Notfall kontaktieren könnt. Auch wenn man noch unerfahren oder alleine unterwegs ist, fühlt man sich hier sicher.

 

Als ich dann erst mal auf einem der Wege unterwegs war, fühlte ich mich schon fast ein bisschen, als ob ich im Hochgebirge wäre und das, obwohl der Scafell Pike, der höchste Berg im Lake District (und in ganz England), grade mal 978 Meter hoch ist. Um ihn zu besteigen, könnt ihr übrigens auch geführte Tagestouren buchen, bei denen ein Guide euch genau erklärt, wie man sich an den besonders steilen Stellen am besten vorwärts arbeitet. Wahrscheinlich lag das aber auch ein wenig an der Wetterlage, die mir im Februar dort begegnet ist. Ohne Regenmontur konnte ich das Haus nicht verlassen – allerdings nicht, weil Dauerregen herrschte, sondern weil das Wetter sehr durchwachsen und launisch war. Die Sonne fand zwar immer irgendwo eine kleine Lücke in den dicken Wolken, um sich blicken zu lassen, doch der Nieselregen hat sich beständig gehalten.

Es gibt viele tolle Orte zu entdecken,mein persönlicher Tipp ist jedoch der Lake Ullswater. Er ist zwar nicht so groß wie der Windermere, liegt dafür allerdings spektakulär in den Bergen und hat sogar einen Wasserfall zu bieten. Am Aira Force fällt das Wasser über nur eine Stufe circa 20 Meter in die Tiefe. Sowohl vom oberen als auch vom unteren Ende des Wasserfalls hat man einen wunderschönen Blick auf den See, die Natur, zahlreiche Pflanzenarten und vor allem viele verschiedene Wasservögel, die hier leben. Viele werden sich das Spektakel jetzt wahrscheinlich im Sommer vorstellen und so geht es mir manchmal sogar selbst, wenn ich an meine Reise zurückdenke. Die Gegend und der Park sind allerdings auch in der Nebensaison schön. Im Februar hatte ich das große Glück sogar noch einige der Gipfel schneebedeckt sehen zu dürfen, was eine tolle winterliche Atmosphäre geschaffen hat.

Für die unter euch, die das Naturerlebnis noch mit etwas Anderem verbinden möchten, eignet sich die Gegend der Grafschaft Cumbria sehr gut. Die Literaturfans unter euch werden in „Der Welt der Beatrix Potter“ in Bowness-on-Windermere auf ihre Kosten kommen, denn hier gibt es zahlreiche Orte und Charaktere aus den Peter Rabbit Büchern zu entdecken, die im Lake District spielen. Außerdem könnt ihr am nördlichen Ende des Parks eine der wenigen Whiskey Destillerien in England finden. Die „Lakes Distillery“ ist preisgekrönt und bei einer der Touren kann man viel über die traditionelle Herstellung des hochprozentigen Genusses lernen. 😉 Von dort aus ist es ein Katzensprung bis zur schottischen Grenze und dem Hadrians Wall, der dem römischen Reich diente, um seine Gebiete abzusichern. Wie ihr seht, kann man fern ab von den Wanderwegen so einiges erkunden.

Bis bald,

Julian Toboll | Profi für Großbritannien

P.S.: Wenn ihr jetzt auch Lust bekommen habt euch den Norden Englands mal genauer anzuschauen, dann guckt doch mal bei meinem Reisetipp für euch vorbei.