Frühlingserwachen in Helsinki und Ohrfeigen in Porvoo


„Vappu“ heißt der 1. Mai in Finnland. Auch hier ist er ein Feiertag, jedoch nicht der Tag der Arbeit, sondern der Tag an dem der Frühling willkommen geheißen wird. Dieses Jahr war der Wettergott sehr zuverlässig, denn als ich das erste Maiwochenende in Helsinki verbracht habe, strahlte die Sonne so kräftig sie nur konnte. Weil ich damit überhaupt nicht gerechnet, sondern stattdessen die dicke Winterjacke eingepackt hatte, habe ich mir natürlich gleich einen kleinen Sonnenbrand im Gesicht geholt. Trotzdem war ich froh, die dicke Jacke mitgenommen zu haben, denn sobald die Sonne sich hinter einer Wolke versteckt und der Wind pustet, kann es schnell kalt werden.

Das Bild des Wahrzeichens Helsinkis ist sicherlich vielen bekannt – die imposante Domkirche. Ganz in weiß und gold gehalten wirkt sie auf den ersten Blick schon fast ein bisschen schlicht. Erst wenn man genauer hinsieht, dann fallen einem die vielen kleinen Details und Verzierungen auf, die sich der deutsche Architekt Carl Ludwig Engel hat einfallen lassen. Bei dem schönen Frühlingswetter, das ich zum Glück erwischt hatte, war auf den großen Stufen, die Dom und Senatsplatz verbinden, so einiges los. Generell merkte man, dass die Finnen den Frühling schon sehnlich erwartet haben, denn überall gab es Stühle und Tische vor den Cafés und Restaurants – auch alle Bänke auf den vielen Grünflächen der Stadt waren permanent belegt. Der Dom am Senatsplatz ist aber nicht das einzige große kirchliche Bauwerk, dass das Bild der Stadt prägt. Gerade mal 600 Meter weiter und doch schon auf der „Katajanokka“-Halbinsel steht die Uspenski Kathedrale. Sie ist die größte russisch-orthodoxe Kirche in ganz Nordeuropa. Die Mischung aus rustikalen Backsteinen, den runden Fenstern, den vielen Details und den goldenen Spitzen auf den Türmen hat es mir ganz besonders angetan. Von Innen hat mir die Kathedrale leider nicht so gut gefallen, dort schlug die Verspieltheit durch die unzähligen aufgetürmten Plastikblumen eher in Kitsch um.

Von der Uspenski Kathedrale aus hat man außerdem einen tollen Blick auf den Norden der Stadt. Dieser Ausblick lädt direkt zu einem Spaziergang an den vielen Segelschiffen des Nordufers in Richtung des frühere Arbeiterviertels Kallio ein. Auch hier gibt es unzählige Cafés und kleine Restaurants. Man sagt, dass sich das Viertel in den vergangenen Jahren zum Trendviertel entwickelt hat, ich finde aber, dass es seinen Arbeiterviertel-Charakter nicht ganz verloren hat. Man sieht sehr viele Menschen, die unterwegs sind, um Besorgungen zu erledigen oder sich einfach mit Freunden treffen. Dass die Finnen ihr Bier lieben ist übrigens kein Klischee. Als ich zwischen 16 und 17 Uhr für einen Kaffee in das etwas improvisierte aber dennoch gemütliche „Rytmi“ eingekehrt bin, saßen die Einheimischen häufig schon bei einem Glas Bier beisammen.

 

Doch auch wenn man auf der entgegengesetzten Seite von Helsinki, im sogenannten „Länsisatama“ Viertel unterwegs ist, gibt es genügend Möglichkeiten für einen Kaffee oder einen Snack. Mein Tipp für euch: Besucht die „Hietalahti-Markthalle“! Auch wenn sie etwas weiter ab vom Schuss ist als die Alte Markthalle am Kopf der Haupteinkaufsstraße (Esplanade genannt), es lohnt sich. Hier gibt es definitiv mehr Auswahl an „auf-die-Hand“-Gerichten und viele schöne Sitzmöglichkeiten zum Verweilen. Auf dem großen Platz vor der Halle gab es sogar einen kleinen Flohmarkt – in den Sommermonaten soll dieser noch größer sein und zum Paradies für Schatzsucher werden. Vom Marktplatz aus kann man übrigens einen Blick auf die Arctech-Helsinki-Werf erhaschen. Die Firma hat sich auf den Bau von Eisbrechern spezialisiert – für mich immer noch wie ein Wunder, dass solche Kolosse aus Stahl schwimmen können. Früher war die Gegend hier größtenteils industriell geprägt, heute entstehen zwischen und auch in den alten Fabrikgebäuden Büros und Wohnhäuser, sowie Schulen und Kindergärten. Eigentlich hat es mich nur hierhergezogen, weil ich mir die alte Nokia-Kabelfabrik anschauen wollte, die nach ihrer Stilllegung in ein großes Kulturzentrum umgewandelt wurde. Hier wurde ich allerdings etwas enttäuscht, denn es gibt zwar drei Museen zu besuchen (das finnische Museum für Fotografie, das Theater Museum und das Hotel- und Restaurant-Museum) jedoch hatte ich mir vorgestellt, dass auch viel Straßenkünstler, Musiker oder andere Artisten das Gebäude nutzen, um sich auszutoben. Die im Reiseführer angepriesenen zwölf Galerien bestanden teilweise leider nur aus vier bis fünf Bildern, viele Räume standen komplett leer und auch sonst waren kaum Menschen unterwegs, sodass man eher das Gefühl hatte sich unerlaubt hier aufzuhalten.

So enttäuscht ich über den Besuch in der alten Kabelfabrik war, so begeistert war ich dann aber vom finnischen Essen. Für mich war klar, dass ich unbedingt lokale Spezialitäten und auch Rentierfleisch probieren möchte. Nach einer etwas längeren Recherche habe ich mich also für einen kulinarischen Abstecher nach Lappland entschieden und mich auf den Weg in das Restaurant „Saaga“ gemacht. Schon als ich durch die Tür trat, hat mich die Atmosphäre überwältigt. Durch viele kleine Lichtquellen und auch Kerzen wurde ein tolles Schummerlicht geschaffen, alle Möbel waren aus Holz gefertigt und die Wände waren mit Fellen, Geweihen, Sámi-Zeichnungen, aus Knochen gebastelte Ketten und allerlei traditionellen Gefäßen geschmückt. Auch die Bedienung war toll und konnte mich super beraten. Zur Vorspeise gab es dann eine gemischte Platte mit Rentierwurst, Elchfleisch, verschiedenen Sorten geräuchertem und gepökeltem Fisch, einem Käse den die Finnen „Quietsche-Käse“ nennen (da er zwischen den Zähnen quietscht), leckeren Dips und unterschiedlichen Sorten Brot. Es hat einfach großartig geschmeckt und ich fand es besonders spannend, so viele verschiedene Dinge zu probieren und mit jeder Gabel einen neuen Geschmack zu entdecken. Zum Hauptgang gab es dann für mich das ersehnte Rentierfleisch, das eigentlich gar nichts so anders als anderes Wildfleisch schmeckt, mit Bratkartoffeln, Pilzen und geschmorten Zwiebeln. Gerne hätte ich auch einen Nachtisch probiert, dafür war ich aber einfach schon zu satt. 😀 Das Restaurant „Saaga“ kann ich wirklich nur jedem empfehlen. Wenn ihr euch für Lappland interessiert und mehr darüber erfahren wollt, solltet ihr auf jeden Fall mal beim Blogeintrag meiner Kollegin Jessica Klauer vorbeischauen! 😉

Zusätzlich zu den vielen Sehenswürdigkeiten in der Stadt selbst hat Helsinki auch im Umland einiges zu bieten. Zwei Tage lang habe ich mir einen Mietwagen genommen, um die kleineren Orte Porvoo, ein historisch sehr wichtiges Fischerdorf mit typischen Holzhäusern, Loviisa, ein uriger Ort mit gut 15.000 Einwohnern, und den Nuuksio Nationalpark zu besuchen. In Porvo habe ich in einem süßen Café direkt am Wasser die berühmte finnische Version der Zimtschnecken probiert. Diese heißen übrigens „korvapuustit“ was übersetzt „Ohrfeigen“ bedeutet. In Loviisa haben es mir besonders die bunten Holzhäuser angetan, die mich an die Helden meiner Kindheit wie Pipi Langstrumpf oder Michel aus Lönneberga erinnert haben. In beiden Orten gibt es verhältnismäßig wenige Touristen, sodass man sich hier perfekt entspannen und erholen kann.

Um Kraft zu tanken ist auch der Nuuksio Nationalpark optimal. Mit dem Auto nur circa 40 Minuten von Helsinki entfernt bietet er auf 55 unzählige Strecken die man entweder zu Fuß, mit dem Rad oder sogar auf dem Pferderücken zurücklegen kann. Ich habe mich für eine Strecke mit dem Namen „Die Runde des Falken“ entschieden und wurde nicht enttäuscht, denn wie ein Falke befand man sich auf den höchsten Punkten des Parks und hatte eine tolle Aussicht. An machen Stellen, auf die kein direktes Sonnenlicht fällt, gab es sogar noch Eis zu sehen – da merkte ich erst so richtig, was für ein Glück ich mit dem tollen Sonnenschein hatte. Mich zurecht zu finden, war sehr einfach, da alles gut ausgeschildert ist und die Wege farblich gekennzeichnet sind. So muss man nur den Rauten mit der Farbe des Weges folgen, für den man sich entschieden hat und kann nicht verloren gehen.

Wie ihr seht, kann man also sowohl Großstadttrubel als auch Natur pur an der Küste Finnlands finden. Deshalb werde ich das Land hoch oben im Norden bestimmt bald wieder besuchen und euch natürlich ausführlich davon berichten! 🙂

Bis bald,

Anna Lena Rupp | Werkstudentin Marketing