„Kleine Orte, viel zu entdecken“ Städtetrip durch Böhmen


Fast hätten wir gar nicht bemerkt, dass wir die deutsche Grenze überquert haben, denn unser Ziel war nicht einfach nur Tschechien, sondern der Südwesten von Böhmen. Dies ist eine Region, die geschichtlich eine sehr starke Verbindung zu Deutschland und der deutschen Sprache hat. Unter anderem war Böhmen ein Teil des Kaiserreichs Österreich-Ungarn und seit dem 13. Jahrhundert siedelten sich viele Deutsche in dem Gebiet an. Deshalb haben fast alle Orte in der Region zwei Ortsnamen und auch ein doppeltes Ortsschild – einmal auf Tschechisch, einmal auf Deutsch.

Gleich am ersten Tag unserer Fahrt nach Tschechien ging es mit den Klassikern los: eine Brauereibesichtigung in Pilsen und danach Abendessen in Budweis. Das Bier aus beiden Städten ist wahrscheinlich jedem ein Begriff, doch viel spannender für unsere beiden neuen Teamkolleginnen war natürlich das Essen.

Damit sind wir auch direkt beim Thema, denn wer nach Böhmen fährt, der muss sich bei den Mahlzeiten auf sehr reichhaltige Gerichte mit einem großen Fleischanteil einstellen. Für uns gab es vor allem viel Rinderbraten, Schweinegulasch und Ente. Alles natürlich mit Klößen in verschiedenen Variationen als Beilage – dick, dünn, groß, klein, kugelrund oder länglich.

Obwohl wir Mädels alle nicht die größten Fleischliebhaber sind, konnten wir trotzdem einige Leckereien für uns entdecken. Schon allein an den Vor- und Nachspeisen konnten wir uns so satt essen, dass wir einen Hauptgang eigentlich gar nicht mehr gebraucht hätten. Unsere beiden Nachtisch-Favoriten waren tschechischer Baumkuchen (hierfür wird Hefeteig in dünnen Streifen auf einen Holzstab gewickelt und anschließend gebacken) und Livanzen, die auch Dalken genannt werden (das sind kleine Küchlein und können wohl am besten als Mischung zwischen Waffeln und Eierpfannkuchen beschrieben werden, die man mit Marmelade und Sahne serviert – sehr, sehr lecker!).

Kontrastreich zum deftigen Essen und ähnlich bunt war dann unser Besuch im Glasmuseum „Pask“ in Klatovy, in dem die gesammelten, filigranen Stücke der Familie Loetz ausgestellt sind. Obwohl die Region nicht unbedingt für die Glasfertigung bekannt ist, kann ich das Museum Liebhabern sehr empfehlen.

Ebenfalls in Klatovy (Klattau) haben wir die Katakomben unter der Jesuitenkirche besichtigt. Hier liegen Mumien, die um die 250 bis 350 Jahre alt sind. Durch eine sehr ausgeklügelte Architektur herrschte in den Kellerräumen der Kirche ein besonderes, konstantes Luft- und Feuchtigkeitsmilieu, das die Leichname konservierte. Etwas gruselig, dennoch sehr beeindruckend. Direkt neben dieser Kirche haben wir noch ein weiteres Highlight unserer Reise entdeckt, was ihr euch unbedingt ansehen solltet: Eine Barockapotheke mit einem wunderschönen Einhornkopf über dem Eingang (siehe Bild). Den hätten wir am liebsten direkt abmontiert und mit nach Hause genommen.

Das schönste am Südwesten Böhmens sind für mich aber auf jeden Fall die vielen kleinen Städtchen und Ortschaften mit ihren unzähligen Schlössern. Alles ist sehr naturverbunden und ruhig und beschaulich. Mein Lieblingsort ist bestimmt Krumau mit seiner Altstadt und dem wunderschönen Schloss. In Krumau, da ist der Name Programm, ist alles krumm und schief. Weil die Stadt um die Moldau entstanden ist, macht sie natürlich alle Kurven des Flusses mit. Hier gibt es ziemlich viele Touristen und dementsprechend auch an jeder Ecke verschiedene Angebote. Besonders empfehle ich hier natürlich die vielen Stände, die Baumkuchen verkaufen. 😉

Kulturell und auch historisch war unser Besuch in Nepomuk. Der Ort und auch die dortige Kirche wurden nach Johannes Nepomuk benannt. Allseits bekannt ist er als Brückenheiliger und Patron des Beichtgeheimnisses. Später heiliggesprochen und bis heute sehr verehrt, wurde er im 14. Jahrhundert von der Karlsbrücke in den Tod gestürzt, weil er versuchte die vorherrschende Korruption zwischen König und Kirche zu durchbrechen. Oft sieht man Statuen von ihm neben oder auf Brücken, wobei er durch seinen Heiligenschein mit den fünf Sternen leicht zu erkennen ist.

Wittingau, eine weitere sehenswerte Station auf unserer Reise, ist wie auch die Region besonders bekannt für seine vielen künstlich angelegten Fischzuchtanlagen. Natürlich gibt es dort wahnsinnig viele Fischrestaurants, was wir beim Mittagessen geniessen konnten. Das war eine leckere und willkommene Abwechslung zu den vielen fleischlastigen Hauptgerichten, die wir bis dahin gegessen hatten.

Ebenfalls eindrucksvoll war für uns das Dörfchen Hollschowitz – ein kleines mittelalterliches Dorf und sogar UNESCO-Weltkulturerbe. Ich war besonders positiv überrascht, dass nicht nur hier, sondern fast überall der mittelalterliche Stadtkern sehr gut erhalten geblieben ist oder eben entsprechend restauriert wurde. Einen Marktplatz gibt es in fast jeder noch so kleinen Gemeinde. Genauso wichtig wie der Marktplatz scheint für jeden Ort sein eigenes kleines Volkslied zu sein. Unser tschechischer Begleiter konnte uns zu fast jeder Station, die wir durchfahren sind, ein kleines Liedchen vorsingen – meist sind es lustige Liebeslieder, die von Leuten aus dem Dorf handeln.

Ein ganz besonderes Erlebnis war unser Besuch am Stausee Lipno. Das ist der zweitgrößte natürlich zugefrorene See weltweit. Obwohl wir im Februar schon ein bisschen Tauwetter hatten, sind viele Leute Schlittschuh gelaufen. Doch nicht nur das: Autos, Hunde, Menschen, Buden – wirklich alles war auf dem Eis. Der Stausee Lipno ist aber nicht der einzige See in der Region. Der Süden und der Westen von Böhmen haben neben etlichen weiteren Gewässern auch viele Rad- und Wanderwege zu bieten, welche die vielen Seen und Ortschaften miteinander verbinden. Wer es nicht so sehr gemütlich mag und eher auf Action steht, der kann das Städteprogramm natürlich gegen ein sportliches tauschen und im Winter Ski fahren oder sich im Sommer bei unzähligen Wassersportarten so richtig austoben.

Eine erst im Nachhinein lustige Geschichte ist uns in Frauenberg passiert, als wir zum gleichnamigen Schloss unterwegs waren. Obwohl der Fußmarsch dorthin nur zehn Minuten lang ist, konnten meine Schuhe dem matschigen Tauwetter nicht trotzen. Schuhe zum Wechseln hatte ich in diesem Moment leider nicht dabei, also hieß es mit nassen und kalten Füßen das Schloss samt Park erkunden. Der Aufstieg zum Schloss ist zwar leicht zu bewältigen, doch im Sommer gibt es auch eine Bimmelbahn. Diese bringt einen auf einem etwas weitläufigeren Weg zum Ziel, allerdings fährt sie nur im Sommer.

Und welche Geschichte habt ihr in Böhmen erlebt ? Wir jedenfalls freuen uns jetzt schon auf unseren nächsten Besuch in Böhmen.

Bis bald 🙂 ,

Maria Eisner | Profi für Osteuropa