Kontraste im Heiligen Land I


Es gibt Orte auf der Welt, die man schon unzählige Male in Bildbänden, Reiseführern, in TV-Dokumentationen oder den Nachrichten gesehen hat. Wenn man dann irgendwann einmal tatsächlich selbst dort steht, ist man entweder enttäuscht, dass der Sehnsuchtsort nicht annährend die Atmosphäre besitzt, die man erwartet hat oder aber der besuchte Platz bestätigt und übertrifft sogar noch alle Erwartungen, mit denen man gekommen ist.
Mein Besuch an der Klagemauer in Jerusalem gehörte definitiv zur zweiten Kategorie. Der Blick auf die goldene Kuppel des Felsendoms und den Tempelberg („al-ḥaram aš-šarīf ‚das edle Heiligtum“ lautet der arabische Name des Tempelbergs) sind einfach phantastisch und die Stimmung, die vor der Mauer herrscht, wirkte auf mich schlicht erhaben. Ehe man auf den Platz kommt, muss man eine Sicherheitskontrolle passieren, bei der das Gepäck durchleuchtet wird und man selbst durch einen Metalldetektor geht – eine Prozedur, an die ich mich in den letzten Tagen meiner Reise bereits gewöhnt hatte und die beim Besuch in Museen, auf großen Märkten oder aber vor der Reise mit Zug oder Bus dazugehörte. Danach ging es dann gleich zur Klagemauer, eine Kippa auf und dann stand ich auch schon vor den gewaltigen Steinblöcken, die den Juden als Überreste des zweiten Tempels und als heiligster Ort gelten.

Jerusalem war Schluss- und Höhepunkt meiner Israelreise und am Ende war ich froh, dass ich vier satte Tage für die Stadt eingeplant hatte, da es in an Geschichte so reichen Stadt  ungemein viel zu sehen und zu erleben gab. Gestartet war ich einige Tage zuvor in Tel Aviv. Die Stadt – deren Name „Frühlingshügel“ bedeutet – bildet in vielerlei Hinsicht das totale Kontrastprogramm zu Jerusalem: Jerusalem ist eine uralte Stadt, während Tel Aviv eine Gründung des 20. Jahrhunderts und eine Stadt der Jugend ist, Jerusalem ist eine Stadt, die für Juden, Christen und Muslime heilig ist, während in Tel Aviv Religion nicht die allererste Geige spielt. Das Faszinierendste in Tel Aviv waren für mich die Strände der Stadt. Vom Stadtzentrum kommt man in ein paar Minuten zu einem der goldenen Sandstrände, die zusammen eine Länge von 14 Kilometern haben und die schier endlose Strandpromenade. Ende Oktober gab es hier Sonne und blauen Himmel, dazu 28 Grad Lufttemperatur und das Meer hatte gerade die richtige Temperatur, um darin zu baden und das bis in den späten Nachmittag hinein. Während in Deutschland also der graue Herbst Einzug hielt, konnte man hier am östlichen Zipfel des Mittelmeers noch einmal das Gefühl von Sommer genießen.
Neben den Sandstränden sind die vielen Bars, Cafés und Restaurants der Stadt ein weiteres Highlight in Tel Aviv. Rund um den Rothschild Boulevard im Zentrum der Stadt ist die Zahl der Lokale so groß und die Vielfalt der gastronomischen Angebote so groß, dass die Wahl richtig schwer fällt. Üppig und sehr lecker war das Frühstück in allen Lokalen die ich besucht habe, das einen schon ziemlich weit durch den Tag trug.

Zu sehen gibt es in Tel Aviv ebenfalls jede Menge, auch wenn die Stadt keine lange Geschichte hat. Sehenswert sind zum Beispiel die Gebäude im Bauhaus-Stil. In Tel Aviv stehen mehr Gebäude im Bauhaus-Stil aus den 30er Jahren als in jeder anderen Stadt der Welt, weshalb die Straßen im Stadtzentrum und dem Bereich südlich davon auch zum UNESCO-Welterbe erklärt wurden. Die UNESCO-Liste umfasst rund 1.000 Gebäude – insgesamt sollen in Tel Aviv circa 4.000 Bauhaus Gebäude errichtet worden sein. Immer einen Besuch wert ist auch der Carmel-Markt, ein großer Markt nahe dem Stadtzentrum, in dem man so ziemlich alles bekommt und wo man bei einer Tasse Kaffee auch dem bunten Treiben zwischen den Ständen zusehen kann.

Nicht weit ist es von hier zum Strand und wenn man den Strand entlang nach Süden geht, kommt man nah einer knappen Stunde Spazierweg nach Jaffa, wo man durch die sehr malerische Altstadt bummeln, den Flohmarkt besuchen und beim Blick aufs Meer die Andromeda-Felsen sehen kann. Der Legende nach sind es die Felsen, an die Prinzessin Andromeda gefesselt wurde, um sie einem Seeungeheuer zu opfern, ehe der Held Perseus sie befreite – eine Geschichte, die man aus dem Hollywood-Film „Kampf der Titanen“ kennt. Die Klippen im Film sind allerdings deutlich höher und spektakulärer als die vor dem Hafen von Jaffa.

Die nächste Station nach Tel Aviv war Haifa. Die Hafenstadt liegt nördlich von Tel Aviv und mit dem Zug kommt man ebenso schnell wie bequem dorthin. Überhaupt war es eine überraschende Erfahrung, wie kurz die Distanzen in Israel sind. Ich hatte mir das Land irgendwie größer vorgestellt, aber Israel ist in etwa gerade einmal so groß wie Hessen, die Entfernungen von einer Stadt zur nächsten sind also nie wirklich gewaltig.
Haifa gilt in Israel als eine Stadt, in der Juden, Muslime und Christen ungemein harmonisch zusammenleben, weshalb auch immer wieder vom Modell „Haifa“ die Rede ist. Diese sehr lockere Stimmung spürt man in der Stadt. Die beeindruckendste Sehenswürdigkeit von Haifa gehört jedoch keiner der drei Religionsgemeinschaften, sondern den Bahai. Die zwischen 1987 und 2001 angelegten Gärten sind ein Heiligtum der im heutigen Iran entstandenen Glaubensgemeinschaft der Bahai. Schier unglaublich sind die enorm steilen Rasenflächen der Anlage, für die Pflege der Gärten sollen 100 Vollzeitgärtner angestellt sein. Besichtigt habe ich die Gärten im Rahmen einer kostenfreien Panoramatour, die etwa 45 Minuten dauert und am oberen Ausgang der Gärten beginnt…

Zwei weitere Sehenswürdigkeiten in Haifa haben mich ebenfalls beeindruckt: das Kloster Stella Maris, das am Berg Karmel oberhalb der Stadt liegt und die entlang der Küste hat und dann das Museum für illegale Einwanderung. Stella Maris bedeutet „Stern des Meeres“ und der Blick von hier aus ist spektakulär und auch die Besichtigung der Kirche lohnt wegen der schönen Malereien. Zum Kloster kommt entweder zu Fuß oder aber man nimmt die Seilbahn, die von der Meerespromenade bis hinauf zum Kloster führt.
Eine deutsche Vergangenheit hat die Stadt übrigens auch. Kaiser Wilhelm II. war 1898 auf seiner Orientreise hier zu Besuch, woran ein Denkmal oberhalb der Gärten der Bahai erinnert. Und natürlich gibt es in Haifa die „Deutsche Kolonie“. Im 19. Jahrhundert ließen sich nämlich in Haifa die „Templer“ nieder, eine Gruppe protestantisch-pietistische Gruppe aus Württemberg, deren Mitglieder durch ihre Arbeit vor Ort die Transportmethorden und die Landwirtschaft in der Region deutlich verbessert haben sollen.

Die „Deutsche Kolonie“ ist heute eine der besten Restaurantmeilen der Stadt. In den Tagen in Haifa kehrten wir hier immer wieder und zu nahezu jeder Tageszeit im „Douzan“ ein, einem Lokal, dessen Küche einen anregenden Mix aus libanesischen, französischen und italienischen Gerichten sowie eine große Kaffeeauswahl und leckeren Süßspeisen bietet.

Über zweite Hälfte meiner Reise berichte ich hier, denn Israel ist so vielfältig, dass ich noch einiges erkundet habe.

Thomas Burgert | Freier Journalist